Was ist Huforthopädie? 


Orthopädie stammt aus dem Griechischen und bedeutet: 

 

Die Lehre von der Erkennung und Behandlung der angeborenen oder erworbenen Fehler der Haltungs- und Bewegungsorgane.

 

Für den/die Huforthopäden/in heißt das, dass jeder Huf vorgängig individuell beurteil bzw. befundet wird und sich daraus die Vorgehensweise der Hufbearbeitung ergibt. 

Das heißt, dass man sich nicht an starre Winkelvorgaben oder Ideale hält, sondern dass jeder Huf diejenige Bearbeitung erhält, die ihn wieder in seine für ihn optimale Form herunter wachsen lässt. 

 

Belastungssituation während der Standbeinphase

Bei einer ersten Befundaufnahme während der Standbeinphase wird die mehr belastete Seite ermittelt. Danach wird durch gezielte Bearbeitung eine günstigere Belastung des Hufes ermöglicht. Langfristig kann der Huf in der für ihn optimalsten Form nachwachsen und ermöglicht seinem Besitzer einen bestmöglichen Bewegungsablauf.

 

Das langfristige Ziel ist ein physiologisch geformter Huf, welcher dadurch auch eine physiologische Belastung zulässt.

 

Der Ideale Huf

Jeder Huf ist von Natur aus verschieden - eine theoretische Form kann deshalb nicht allgemein gültig definiert werden. Ein Huf ist für seinen Besitzer dann ideal, wenn er gleichmäßig resp. günstig belastet wird. Ein günstig belasteter Huf weißt keine Deformationen (sprich Hufprobleme) auf.

 

 

Der Pferdehuf 

Thoma Janine

Huforthopädie

Der Pferdehuf ist das Fundament, worauf das ganze Pferd aufgebaut ist. Oder wie der alte Stallmeister schon wusste: "Ohne Huf - Kein Pferd!"

 

Er übernimmt die Last, hat eine wichtige Rolle für den Blutkreislauf und dient als Tastorgan. Da ein Pferd zu den Fluchttieren gehört, steht es ständig auf seinen Gliedmassen und verbringt nur wenig Zeit mit Liegen. Seine Hufe werden daher praktisch immer belastet. Es kann, durch einseitiges Entlasten der Hinterbeine oder durch Vor- bzw. Rückstellen der Vorderbeine, sein Gewicht und die Last verteilen. 

Ein Pferd braucht also nur schon für`s "Rumstehen" ein gutes Fundament. Wenn man nun noch Leistung von seinem Vierbeiner verlangt, ist es umso wichtiger, dafür zu sorgen, dass es seine Hufe gleichmässig resp. günstig belasten kann. 

Wichtigkeit der regelmässigen Hufpflege

 

Der Pferdehuf kann mit der Fingerspitze des Menschens verglichen werden. Was bei uns der Fingernagel ist, ist beim Pferd die Hornwand. Der Knochen des unteren Fingergliedes ist beim Pferd das Hufbein. 

Der Hornschuh hat sich im Laufe der Evolution dem natürlichen Umfeld des Pferdes angepasst. In der freien Wildbahn ist das Wachstum genau auf den Abrieb abgestimmt und es gibt daher keinen Bedarf der Pflege.

Das abgenutzte Horn wächst rechtzeitig nach. Bei unserer Pferdehaltung kommt es jedoch häufig zu einem Ungleichgewicht.

Die Hornkapsel wird durch zu wenig Abrieb zu lang oder sie erfährt zu viel Abnutzung und ist nicht mehr in der Lage Last aufzunehmen. Um diesem Ungleichgewicht Abhilfe zu schaffen, bedarf es einer guten und regelmässigen Hufbearbeitung bzw. Hufschutz (Hufschuhe).

Die Hornproduktion / Lederhäute

Die Hornproduktion / Lederhäute

 

Neues Horn wird von der jeweiligen Lederhaut, respektive nicht von der Lederhaut selber, sondern von der Keimschicht (=Stratum germinativum)der Oberhaut (=Epidermis)gebildet.

 

Saumlederhaut = Saumhorn = Übergang von der Haut zum Horn, dient als Schutz der darunter liegenden Kronlederhaut.

Kronlederhaut = Kronhorn (Hornwand, Hornröhrchen und Zwischenröhrchenhorn)= Die "Weisse Linie" ist der innerste Teil der Hornkapsel und grenzt an das Blättchenhorn.

Hornblättchen produzierende Lederhaut = Blättchenhorn = Gehört der Kronlederhaut an und befindet sich am Übergang zur Wandlederhaut.

Wandlederhaut = Begleithorn = Das Begleithorn verbindet sich mit der von oben herab schiebenden Hornwand.

Terminalpapillen = Terminallagenhorn = Die Terminalpapillen schliessen die Lücke zwischen der Wandlederhaut und der Sohlenlederhaut, auch Füllhorn genannt.

Sohlenlederhaut = Sohlenhorn = Die Sohle ist von weicherer Konsistenz als die Hornwand.

Strahllederhaut = Strahlhorn

Ballenlederhaut = Ballenhorn

 

Schiefer Huf mit schräger Seitenwand

Transversaler Längsschnitt

 

1. Diese, in einem steilen Winkel zum Boden stehende Hufwand, schiebt nach oben und ist dadurch hohen vertikalen Scherkräften ausgesetzt = dadurch aufgespreisselter Tragrand und hohle Wand (4).

 

2. Diese Hufwand steht zu schräg zum Boden und pendelt in der Folge nach aussen = dadurch verbreiterte Blättchenschicht (5).

 

3. Der Strahl, aus weicherem Material, "weicht" dem Gewicht und legt sich auf die weniger belastete Seite.

Schiefer Huf mit schräger Seitenwand

Dorsale Ansicht

 

 

1. Die steile Hufwand schiebt nach oben.

 

2. Die schräge Hufwand pendelt nach aussen.

 

3. Der Zehenabweiser pendelt nach schräg vorne.

 

Da die schräge Hufwand und der Zehenabweiser nach schräg aussen (rechts)pendeln, hat sich im Übergang zu angelaufenen Zehenrichtung (4) ein Riss gebildet.

Hufdeformationen erkennen / Hufe befunden 

Wird ein Huf nicht gleichmässig belastet bzw. abgerieben kommt es in der Folge zu Deformationen und es sind verschiedene Symptome sichtbar. Folgende Zeichnungen habe ich aus meinen Unterlagen abgezeichnet, in der Praxis sind häufig Mischformen davon vorzufinden.

Trachtenlastiger Huf - Flachhuf

Laterale Ansicht

 

1. Die Zehen- und Seitenwände stehen in einem schrägen Winkel zum Boden und pendlen in der Folge nach aussen.

2. Die Trachten sind überbelastet und werden deshalb untergeschoben.

3. Infolge der untergeschobenen Trachten hat sich ein Teil der Trachtenwand unphysiologisch herausgebeult (=unphysiologische Wandrundung).In diesem Bereich findet praktisch keine Hufmechanik nach aussen hin mehr statt, weshalb dieser Wandabschnitt hohen vertikalen Scherkräften ausgesetzt ist. Dadurch entsteht ein aufgespreisselter Tragrand und eine hohle Wand.

4. Im Übergang zur Seitenwand hat sich ein Riss gebildet.

Trachtenlastiger Huf - Flachhuf

Dorsale Ansicht

 

 

1. Die Zehenwand als auch die Seitenwand stehen in einem zu schrägen Winkel zum Boden und pendeln in der Folge nach aussen. 

 

Infolge der rundum wegpendelden Wände haben sich mehrere Risse gebildet. 

Trachtenlastiger Huf - Zwanghuf

Laterale Ansicht

 

1. Die Zehenwand verbiegt sich nach vorne.

 

2. In den beiden steilen Seitenwänden findet praktisch keine Hufmechanik nach aussen hin mehr statt. In der Folge schieben beide Seitenwände nach oben. Der Kronrand wird nach oben gestaucht.

 

3. Die überbelasteten Trachten rollen ein. 

 

Wie beim asymmetrischen Huf sind die beiden steilen Seitenwände hohen vertikalen Scherkräften ausgesetzt. Dadurch wird der Tragrand aufgespreisselt und es können sich hohle Wände bilden.

Trachtenlastiger Huf - Zwanghuf

Soleare Ansicht

 

1. Die Trachten rollen ein.

 

2. Der Tragrand wird aufgespreisselt.

 

3. Durch zu wenig Abrieb im Zehenbereich wird der Tragrand breit und die Blättchenschicht wird breitgezogen. 

 

Die Trachten werden bei jedem Schritt nach innen gezwungen und die Situation wird dadurch laufend verschlimmert.

Wie werden nun die Hufe bearbeitet, damit sie in einem günstigeren Winkel nachwachsen können?

 

Bei der Huforthopädie wird versucht die Ursachen allfälliger Hufdeformationen zu eliminieren. Das heisst, durch geeignete Bearbeitung wird dem Huf erlaubt, wieder in der für ihn optimalen Form herunter zu wachsen. Dies ermöglicht dem Pferd eine günstigere Lastaufnahme.

 

Eine wegpendelnde Wand, zerrt an den darunter liegenden Lederhaut. Dies ist unangenehm bis schmerzhaft und das Pferd vermeidet in dem Bereich die Lastaufnahme in dem es eine Schonhaltung ein nimmt. Der bereits überbelastete Bereich wird nochmehr belastet. 

 

Durch die Bearbeitung werden die ungünstigen Hebelwirkungen an Seiten- und Zehenwänden minimiert und schräg zum Boden stehende Wände werden in einen tragfähigen Winkel bzw. Bogen zum Boden gebracht.

 

Es wird jedoch darauf geachtet, dass die Wand auch tragfähig bleibt. Es wird nur soviel wie möglich beraspelt, um die Wand nicht auszudünnen und ihr die Möglichkeit der Lastaufnahme weiterhin zu gewähren. Oft ist weniger mehr! 

 

Huforthopädie braucht Zeit und Geduld! Der Huf wird nicht durch eine einzige Bearbeitung korrigiert und "richtig gestellt". Es wird dem Huf (bzw. dem Pferd) ermöglicht, seine Lastaufnahme zu optimieren, wodurch er physiologischer nachwachsen kann und sich somit "selbstständig" verbessern kann. Dafür muss ein Huf mindestens einmal in seiner gesamten Länge nachwachsen (ca. 1 Jahr).

 

Gerade beim Umstellen von Eisen auf Barhuf braucht es viel "Durchhaltevermögen". Es kann vorkommen, dass der Huf am Anfang vermehrt Ausbrüche aufweist und es rein optisch schlimmer aussieht. Jedoch tun Ausbrüche i.d.R. dem Pferd nicht weh.

Normalerweise ist das Umstellen kein Problem. Meiner Meinung nach sollte man es dem Pferd zu liebe mindestens versuchen. Beschlagen kann man, wenns nicht anders geht, immer wieder. Jedoch hat man es dann zumindest versucht. 

 

Wie ich vorgehe bei einer Eisenabnahme findet ihr unter Angebot. 

Fotodokumentationen

 

 30.Nov.2017

 

30.Nov.2017

 

30.Nov.2017

Die folgenden Bilder sind im Verlauf meiner Ausbildung entstanden. Darauf seht ihr den linken Vorderhuf von Liam wie er vor der Bearbeitung und danach ausgesehen hat. Ich war anfangs manchmal etwas "zu vorsichtig" und schnell zufrieden. Man wollte ja auch mal fertig sein und das Pferd "erlösen". 

Es ist ein Handwerk welches angewandt und geübt werden muss und ich danke Liam herzlich für seine Geduld mit mir.... 

Beispiel schiefer Vorderhuf (links)

Der Huf wird sehr stark medial (innen) belastet. Man erkennt es an dem abfallenden Kronrand, die steil zum Boden stehenden inneren Hufwand (medial) und die schräg zum Boden stehende äussere Hufwand (lateral). 

Die gesamte Hornkaspel wirkt rau und rissig. Man erkennt gut die Demarkationslinie, die ausgeprägte Falte fast mittig im Huf. Sie entsteht häufig bei einer optimalen Bearbeitungsweise und zeigt quasi der Beginn der Arbeit. Bis zum Zeitpunkt der Aufnahme habe ich schon ca. 5 Monate daran gearbeitet, im 4 Wochen Intervall.

 

30.Nov.2017

Und so sieht der Huf heute aus:

 

Inzwischen sind etwa 1 1/2 Jahre vergangen und der Huf einmal ganz und einmal zur Hälfte durchgewachsen.

21.Juni 2019

21.Juni 2019

21.Juni 2019

21.Juni 2019

Liam`s Hufe sind im Allgemeinen viel physiologischer geworden. Die gesamte Hornqualität hat sich verbessert und sein Tragrand ist stabiler und weist weniger Ausbrüche auf. Das nachwachsende Horn wächst in einen günstigeren Winkel nach und das Saumhorn bleibt an der glatten Hornwand weniger lang haften, als noch am Anfang. Es scheint, als sei das gesamte Bein weniger gegen medial (innen) verdreht. 

 

30.Nov.2017

 

 27.April 2021

Der selbe Huf nochmals ca 9 Monate später: 

Der gesamte Huf wirkt harmonischer und gleichmässiger belastet. Die Hornkaspel ist weniger rissig und rau, sondern das Horn wirkt gesund und widerstandsfähig. Nun kann er optimaler belastet werden. 

 

 19.Januar 2022

 

 August 2020

 

 September 2021

 

 November 2020